Ein Zwischenbericht

Jetzt geht es doch schon auf das Ende zu!

Über vier Monate bin ich jetzt in Brasilien und weniger als zwei Monate bleibe ich noch. Höchste Zeit für eine kleine Berichterstattung. (Es wird sehr unordentlich werden, hier habe ich sozusagen á la Frankenstein ein Gebilde aus Artikelfetzen/Zwischenberichtsverworfenem generiert, die es nie zu was eigenem gebracht haben)

  Zwischendurch hat sich einiges geändert - drei Monate ist es immerhin schon her, dass ich so richtig angefangen habe zu arbeiten. Wir geben Deutschunterricht für die Erst- und Zweitklässler, ich habe Keyboardstunden gegeben (tue ich auch immer noch sofern meine Schüler kommen) und das Projeto wurde an die Stadt übergeben.

Diese kleinen Veränderungen sind zwar manchmal anstrengend (vor allem, wenn sie plötzlich kommen), aber auch wichtig. Sonst komm ich in einen Trott, der mir zwar einerseits zeigt: ich bin angekommen!, aber auch andererseits das Heimweh nicht erleichtert.

 

Pomerode - nossa pequena Alemanha

Unser kleines Deutsschland - das beschreibt Pomerode perfekt. Ich durfte Pomerode wegen meines Visums (das ja noch für Pomerode ausgestellt war) Ende Januar besuchen. Ich fühlte mich in der Kleinstadt wie in einer skurrilen Version eines lebensgroßen Vergnügunsparkes. Eine Bäckerei namens Tortenfabrik, ein Restaurant Siedlertal betitelt und der Frühling Schützenverein (grammatikalisch auch noch falsch, so was!). Ich war gerade in Brasilien angekommen, da war es komisch doch aprubt wieder nach Deutschland gezogen zu werden. Aber nicht gerade in das Deutschland, das mir am Herzen liegt. Das Traditionsessen Eisbein, das ich noch nie in meinem Leben gegessen habe, das Festa Pomerana, das von der Erzählung her sehr nach Oktoberfest klingt, bei dem ich auch noch nie war und die Architektur, die ich höchstens im Museum zu Gesicht bekomme, versetzte mich in einen verwirrten Zustand. Dazu die Palmen, die unglaubliche Hitze und die unbekannte Tierwelt. Verwirrung pur!

Danach ging es schon weiter nach Argentinien.

Auch wenn es vielleicht ein bisschen früh für ein Zwischenseminar war (für mich, die erst einen Monat in Brasilien gewesen war), war es doch schön, andere Freiwillige zu treffen, sich auszutauschen und gestärkt von ihren Erfahrungen und ihrer Rückmeldung meinen Dienst richtig anzutreten. Und die Wasserfälle von Iguazu, die wir zudem besichtigt haben, sind auf jeden Fall ein echter Hingucker!

Die Arbeit

Nach einer brisanten Rückkehrer (Polizeikontrolle des Fernbusses, 30 kg Koks im pinken Koffer eines siebzehnjährigen Mädchens) ging es dann aber so richtig los.

Hier eine kleine Erklärung unserer Arbeit (ich glaube ich habe das schon mal erläutert:

Die Hälfte arbeiten wir in dem Erziehungszentrum Sagrada Familia, in dem wir auch wohnen. Das heißt: mit in die Gruppen/Klassen gehen und Deutschunterricht geben für die Erst- und Zweitklässler (eine sehr anstrengende, aber auch interessante Aufgabe).

Die andere Hälfte ist die Arbeit am Stadtrand. Das enthält: die Suppenküche jeden Dienstag, den Kleiderbasar jeden Samstag und die Familienbesuche in der restlichen Zeit. Dort fahren wir an den Stadtrand und hören, wie es ihnen geht und beschäftigen die Kinder mit Spielen/Basteln/Tanzen.


Fragerunde!!

 

Wie sieht es am Stadtrand aus?

Die Straßen sind kaputt. Wenn man mit dem Auto daher fährt, ruckelt es immer schön. Das tut es eh, wegen der ganzen Lombadas (das deutsche Wort ist mir leider entfallen), aber dort noch unregelmäßiger. Hier, wie sonst überall, hat jeder ein Tor um sich zu schützen. Oft sitzen Leute auf den Straßen, wenn es aber zu heiß ist, verschwinden alle nach drinnen. Manche Viertel sind so gelegen, dass man eine wunderschöne Aussicht über Leme hat.
Viele, die hier wohnen, arbeiten im Winter (ungefähr ab Juni/Juli) auf der Orangenplantage. 

Die Kirche im Stadtzentrum
Die Kirche im Stadtzentrum

Wie sind die Gottesdienste? Anders als bei uns?

JA! Ave Maria ist allgegenwärtig (Maria generell wird hier sehr gehyped), die meisten Priester hören am liebsten sich reden, bei Feierlichkeiten gehen die Gottesdienste unendlich lang. Katechese, wie ich sie in Deutschland kenne gibt es hier nicht wirklich. Trotzdem hat es seinen eigenen Charme. 

Beispiel Karfreitag (sehr skurrile Erfahrung): Zur Kreuzanbetung (die ich aus Deutschland nicht kannte, liegt aber wahrscheinlich an mir) kommt jeder (!) aus der Kirche nach vorne (das ganze hat dann fast eine Stunde gedauert) und küsst Jesus (Stellen variieren). Daneben stehen zwei Personen mit Tüchern, die danach diese Stelle abwischen. Später im Gottesdienst wird Jesus unter langer Prozedur vom Kreuz abgenommen und in einen Sarg mit Blumen geschmückt gelegt. Auftritt drei Frauen in schwarzer Kleidung, die den "Leichnam" einsalben.

Ostersonntag: Vor dem Gottesdienst teilt sich die Gemeinde auf in Frauen und Männer. Die Frauen folgen der Maria und die Männer Jesus. Vor der Kirche trifft man sich wieder. Die computergenerierten Melodien aus dem Keyboard machen es der Osterstimmung schwer, sich einzustellen.

Was aber für uns Europäer sehr befremdlich wirkt, ist aber nicht nur negativ. Es zeugt einfach von einer anderen Glaubensauffassung. Die Metaphern, die ich oft in Gottesdiensten in meiner Heimatgemeinde finde, sind hier "ersetzt" durch sehr greifbare Darstellungen. Das weckt aber einen ganz anderen Bezug zum Gezeigten. Man erkennt eine wirklich innige Liebe für Jesus (und Maria) und auch ich beginne, mich ganz neu mit Glauben auseinander zu setzen.

 Gibt es Schulen?

Es gibt natürlich Schulen und meines Wissens nach sogar eine Schulpflicht. Allerdings kommt es vor, dass Kinder, die zum Beispiel keinen Platz mehr bekommen, schon mit vierzehn nicht mehr zur Schule gehen.

Generell funktioniert das ein bisschen anders. Man kann sich aussuchen, ob man morgens, mittags und in manchen Fällen sogar abends zur Schule geht. 

P.S.: Übrigens habe ich eine Galerie geöffnet, für alle, die sich beschweren, dass sie bis jetzt nur eine Leitplanke gesehen haben ;) Auch wenn ich wirklich wenig Fotos mache (meine Kamera habe ich LEIDER noch gar nicht rausgeholt), da findet ihr ein paar der wenigen.

Klickt einfach hier oder schaut mal im Menü nach.

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Kommentare: 5
  • #1

    Stephanie (Dienstag, 16 Mai 2017 16:48)

    Liebe Johanna, bei so vielen Neuigkeiten hat sich das lange Warten ja gelohnt! Schön, dass es dir gut geht. Ich freu mich schon darauf, dir noch ein Loch in den Bauch zu fragen, wenn du wieder da bist!

  • #2

    Gerhild Uhling (Donnerstag, 25 Mai 2017 13:57)

    Liebe Johanna,

    Wie schön, wieder von Dir zu lesen!
    Es ist unglaublich, wie die Zeit vergeht - und was Du alles erlebst... dass Dir die Schweinshaxe komisch vorkommt, kann ich GUT verstehen! �
    Ich hoffe, dass es Dir weiter gut geht, dass das Heimweh sich in Grenzen hält - und dass wir mehr von Dir zu lesen bekommen... das macht es Freude!
    Gottes guten Segen Dir und weiterhin Gut Pfad!
    Gerhild

  • #3

    Jutta Seroka (Donnerstag, 25 Mai 2017 23:10)

    Hej Johanna, ENDLICH Neuigkeiten von Dir!!! Wie immer sehr interessant zu lesen! Ich freue mich, wenn Du in den nächsten zwei Monaten noch einmal Zeit findest, uns teilhaben zu lassen!
    Auf dem Bild mit dem Mädchen siehst Du richtig glücklich aus - weiter so!!!
    Herzliche Grüße von
    Jutta

  • #4

    Claudia (Donnerstag, 08 Juni 2017 21:54)

    Super, dass es wieder etwas zu lesen gibt! Auf dem Foto siehst du sehr glücklich aus!
    Und bitte: Pack deine Kamera aus und halte in den letzten Wochen einiges auf Fotos fest, auch wenn deine Erinnerungen auch anders bei dir bleiben. Aber für die Neugierigen in der Heimat sind Fotos doch einfach toll, um etwas von dem zu zeigen, was du erlebst!

    Viele Grüße
    Claudia

  • #5

    Regina (Mittwoch, 14 Juni 2017 15:58)

    Liebe Johanna!
    Vielen Dank für deine tollen Eindrücke!
    Meinst du du schaffst vor dem Ende deiner Zeit noch einen kurzen Eintrag? Es ist immer so faszinierend von dir zu lesen!
    Genieß deine Zeit!
    Viele Grüße von Regina